"Gott ist tot" - Wirkung im 21. Jahrhundert

Aphorismus 125
"(...) Der tolle Mensch sprang mitten unter sie (...). "Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet, - ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? (...) Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? (...) Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? (...) Ist nicht die Grösse dieser That zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Es gab nie eine grössere That, - und wer nur immer nach uns geboren wird, gehört um dieser That willen in eine höhere Geschichte, als alle Geschichte bisher war!"" (Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft)
Nietzsche beeindruckt mit seiner magischen Bildsprache noch heute und provoziert zur Stellungsnahme. Er stellt den Tod Gottes als Ermordung durch den Menschen und Drama für die Menschheit dar.


Der tolle Mensch des 21. Jahrhunderts
Was hat die Mitteilung des 'tollen Menschen' im 21. Jahrhundert zu bedeuten?
  • Wir Menschen verzichten auf eine uns übergeordnete Macht
  • Wir sind selbst Mächtige, nur uns und allenfalls der Erde gegenüber verantwortlich
  • Gottes Tod ist in der Moderne vielen Leuten weder Verlust noch Drama
  • Mit der 'Tötung Gottes' verabschieden wir die uns einmal auferlegte Ordnung, den Sinn und Zusammenhalt der Dinge. Wir sind auf uns selbst gestellt
  • Wir allein tragen die Verantwortung.
Gentechnische Schöpfung
Die Folgen werden erst im 21. Jahrhundert deutlich, am dramatischsten mit der beginnenden Gentechnologie und den Konsequenzen aus der Künstlichen Intelligenz (sich selbst replizierender Maschinen-Mensch). Künftige gentechnische Veränderungen des Menschen am Menschen gleichen einem Schöpfungsakt. Der Mensch baut sich willentlich um in der Hoffnung auf ein längeres und besseres Leben. In letzter Konsequenz verwandelt er sich kontinuierlich in eine neue Art, vom Homo sapiens zum Homo profectus.
  • Der Heutmensch bewegt sich genetisch zum Zukunftsmenschen hin. Weder 'blinde' Natur noch 'finaler' Gott bringen letzteren hervor, sondern der planende Mensch selber - also ein Selbstentwurf (genetische Autoevolution). Im Kontext mit Nietzsches Aphorismus mag einmal die Schlussfolgerung zu ziehen sein:
  • Gott ist tot. Ich bin Gott.